Sonntag, 30. September 2007

Humane "Banditen" und ein uneinsichtiger Präsident

25.09.2007

Lage im Norden Niger spitzt sich zu

Infolge der Verminung verschiedener Gebiete rund um Städte und Dörfer in der nördlichen Region, insbesondere um Iferouane, ist die Zivilbevölkerung stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Lebensmittellieferungen sind zum Teil nicht mehr möglich, die wenig vorhandenen Lebensmittel werden zu unbezahlbaren Preisen angeboten, die Grundversorgung ist meist ungenügend. Als Folge dessen fliehen viele Menschen aus den nördlichen Gebieten in den Süden.

Ausnahmezustand für die Region Agadez

Unterdessen hat der Präsident der Republik Niger, Mamadou Tandja, für das Departement Agadez Ende August einen dreimonatigen Notstand ausgerufen. Damit hat die nigrische Armee freie Hand, die seit sieben Monaten andauernden Unruhen unter Kontrolle zu bringen. Die Mittel, welche sie dazu einsetzt, sind jedoch fragwürdig. Seit der Anwendung des Notstandsgesetzes wurden über 100 Zivilisten vorübergehend festgenommen, davon sind mindestens 10 Personen noch immer ohne Anklage und unter unmenschlichen Bedingungen in Haft.

Beunruhigend ist, dass es sich um jene Personen handelt, die sich für einen Dialog der Regierung mit dem MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) engagieren, oder über die Geschehnisse im Norden Nigers berichten.

Die Verhaftung beziehungsweise das Festhalten von Zivilpersonen im Gewahrsam von Armee oder Polizei, die nicht an dem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, erfüllt den Tatbestand der „arbitrary detention“ (willkürliche Verhaftung) und ist damit eine Verletzung des Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auch Amnesty International verurteilte die willkürlichen Verhaftungen aufs Schärfste.

Weiterhin Einschränkung der Pressefreiheit

Vor wenigen Tagen, am 20. September 2007, wurde Moussa Kaka, Korrespondent von Radio France Internationale (RFI), festgenommen, da er wiederholt über den Konflikt gesendet hatte.

Radio France Internationale war bereits im Juli mit einem einmonatigen Sendeverbot in Niger belegt worden, da der Sender über den Konflikt im Norden des Landes berichtet hatte. Erst am 20. August 2007 hatte RFI den Betrieb wieder aufgenommen.

Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières) setzt sich für eine Freilassung von Moussa Kaka ein und berichtet über andere Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Weiterhin ist die nördliche Region des Nigers für inländische wie ausländische Journalisten gesperrt.

Zusammenstösse zwischen MNJ und FAN (Force Armée Nigerien)

Unterdessen ist es in den letzten Wochen mehrfach zu Zusammenstössen zwischen der nigrischen Armee FAN und Angehörigen des MNJ gekommen, wobei auf beiden Seiten Opfer zu beklagen sind.

Um die Regierung des Nigers zu Verhandlungen zu bewegen, übergab der MNJ wiederholt nigrische Soldaten, welche er zuvor bei Angriffen gefangen genommen hatte, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes.

Zu Beginn des Ramadans vergangene Woche wurden zudem auch die Gefangenen des Angriffs auf Tezirzayt im Juni dieses Jahres freigelassen.

Gleichzeitig kündigte der MNJ seinerseits für die Zeit des Ramadan einen Waffenstillstand an. Von Seiten der FAN beziehungsweise der Regierung gab es dazu keine Stellungnahmen.

Tandja’s Kommunikationspolitik

Obwohl der Präsident Mamadou Tandja weiterhin von Banditen und Drogenschmugglern spricht, bat er den Nachbarstaat Libyen um Hilfe bei der Vermittlung zwischen den Rebellen. Die Rolle des libyschen Präsidenten Muammar Ghadafi bleibt jedoch undurchsichtig. Ende August verklagte Ghadafi drei unabhängige Zeitungen in Niamey, die ihn vor Längerem als Unterstützer des MNJ darstellten. Zugleich wird Ghadafi vorgeworfen, Anspruch auf nigrische Territorien und deren Bodenschätze zu. Nichts desto trotz sieht Tandja seine politischen Hoffnungen, den Konflikt zu lösen, in den Regierungen von Lybien, Sudan und Algerien, anstatt selbst mit dem MNJ zu verhandeln.

Niger, die Tuareg und das Uran

Unterdessen hat die Regierung von Niger zum ersten Mal eigenständig Uran auf dem Weltmarkt verkauft. Bisher hatte das französische Unternehmen AREVA das Monopol in Niger, nach einer Krise musste AREVA jedoch Zugeständnisse an die nigrische Regierung machen. Der französische Präsident Sarkozy forderte unterdessen die Offenlegung der Mittelverwendung aus Einnahmen des Uranverkaufs.

Die Ausbeutung der Ressourcen, insbesondere der Uranvorkommen im Norden des Niger, die damit verbundenen ökologischen Gefahren und die wirtschaftliche Teilhabe für die Menschen aus den Abbaugebieten sind mit ein wesentlicher Grund für die aktuelle Auseinandersetzung.

Deklaration über die Rechte indigener Völker verabschiedet

In der am 13. September 2007 von der UNO Vollversammlung verabschiedeten Erklärung der Rechte der indigenen Völker (Declaration on the Rights of Indigenous Peoples) wird der MNJ bei seinen Bemühungen gestärkt.

Die Bedeutung der Deklaration ist unter anderem darin zu sehen, dass sie das Recht der Indigenen, zu denen die Tuareg auch durch ihre umfangreiche Mitarbeit an der Erklärung zählen, auf Selbstbestimmung ausdrücklich anerkennt, und ihr Recht auf die Bodenschätze in ihren traditionellen Siedlungsgebieten respektiert.

Angespannte Situation in Mali

Inzwischen gibt es auch beunruhigende Ereignisse im Norden des Nachbarstaates Mali. Seit Ende August ist es in der Region Kidal zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der malischen Armee und Tuareg rund um den Anführer Ibrahim Ag Bahanga gekommen.

Die Ursachen der Auseinandersetzungen kommen einem nicht fremd vor. Wie auch in Niger geht es um die Umsetzung der Friedensabkommen von 1995, umfangreichere Entwicklungshilfeprojekte für den Norden und um eine grössere Gewinnbeteiligung der nördlichen Regionen beim Rohstoffverkauf.

Während es seitens des MNJ und von Ag Bahanga keine Zusammenarbeit gibt, werden die Regierungen von Mali und Niger militärisch an ihren Grenzen zusammenarbeiten, um dem sogenannten "Banditentum" und "Drogenschmuggel" Herr zu werden.

Anders als die nigrische Regierung zeigt sich Mali jedoch gesprächsbereit. Führende Tuaregrebellen aus den Rebellionen in den 60er und 90er Jahren vermitteln seit Mitte September zwischen Regierung und Ag Bahanga. Mali machte nun erste Zugeständnisse bei der Verteilung von Entwicklungshilfegeldern. Auch Algerien sagte seine Unterstützung für Entwicklungsprojekte im Norden Malis zu. Die malische Armee möchte vorerst abwarten und keine neuen Gegenangriffe starten.

Ibrahim Ag Bahanga reagiert einsichtig und ließ gefangene Soldaten frei. Zudem wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Ob sich die Lage in Mali damit wieder stabilisiert, bleibt abzuwarten.

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