Mittwoch, 26. Dezember 2007

amnesty international und Human Rights Watch bestätigen willkürliche Erschiessungen in Niger

Am 19. Dezember 2007 sind zwei wesentliche Stellungnahmen / Reports betreffend die Situation im Norden von Niger erschienen:


Stellungnahme von amnesty international

http://www.amnesty.org/fr/for-media/press-releases/niger-exécutions-extrajudiciaires-et-déplacements-de-populations-dans-le
(derzeit nur in französisch verfügbar)

amnesty international ruft darin explizit die Regierung von Niger zur Einhaltung der Genfer Konvention auf.
Der Bericht dokumentiert anhand von Augenzeugenberichten willkürliche Erschiessungen von Tuareg oder von für Tuareg gehaltene Zivilpersonen, die - so der amnesty-Bericht – als Vergeltung für Angriffe der MNJ von der Armee des Niger erschossen worden sind.

ai benutzt dabei ausdrücklich den Begriff der „executions extrajudicaires“ (aussergesetzliche Hinrichtungen), die im Widerspruch zur Genfer Konvention stehen. Der amnesty-Bericht spricht von 13 nachgewiesenen willkürlichen Hinrichtungen und bestätigt damit grundsätzlich die von der MNJ behauptete und von newsgroup.nordniger weiterverbreitete Tatsache der Vergeltung seitens der Armee des Niger an Zivilpersonen.

Die MNJ gibt auf ihrer website (http://m-n-j.blogspot.com/) eine wesentlich höhere Zahl von derartigen willkürlichen Hinrichtungen an.




Report von HUMAN RIGHTS WATCH

http://hrw.org/english/docs/2007/12/19/niger17623.htm
(englisch / anglais)
http://hrw.org/french/docs/2007/12/19/niger17647.htm
(francais / french / französisch)

Zeitgleich wurde ein – ausführlicherer – Bericht von Human Rights Watch veröffentlicht.

Dieser Bericht beinhaltet mehrere Augenzeugenberichte, die willkürliche Erschiessungen bestätigen.

Darüberhinaus berichtet Human Rights Watch auch von Vergewaltigungen an Tuareg-Frauen, vom Abschlachten von Vieh (eine der Lebensgrundlagen der Tuareg), sowie von willkürlichen Verhaftungen. Alle diese Menschenrechtsverletzungen wurden von Angehörigen der Armee des Niger begangen.

Der MNJ wird angelastet, verschiedene Nicht-Tuareg bestohlen bzw. ausgeraubt zu haben.

Die MNJ bestreitet dies und weist daraufhin, dass diese Vorfälle nicht von Angehörigen der MNJ begangen worden seien.

Andere Menschenrechtsverletzungen werden der Rebellengruppe nicht angelastet.

(aus Urheberrechts-Gründen geben wir hier nur den link zu den entsprechenden Statements / Reports wieder, für weitere Information.)

Dienstag, 4. Dezember 2007

Nigrische Armee: Niederlagen und weitere Übergriffe auf Bevölkerung

In den vergangenen Tagen hat sich die Situation im Norden von Niger in der Konfrontation zwischen der MNJ (Mouvement des Nigeriens pour la Justice) und der Armee des Niger (FAN) erheblich zugespitzt.

Zunächst wurde am 20. November 2007 die Ermordung von zwei Zivilpersonen in der Nähe des Dorfes Atri in der Aïr-Region, durch die nigrische Armee vermeldet; die Opfer waren Adam Abarchi (70 Jahre) und Ghoumour Assaleh (25 Jahre). Die Ermordeten waren nach Angaben der MNJ Zivilpersonen und wurden ohne Grund erschossen.

Am 23. November 2007 warnte der MNJ die in der Region von Arlit tätige Uranabbaufirma AREVA davor, weitere Transporte durch die von den Tuareg bewohnte Region zu unternehmen. Dabei hob der MNJ hervor, dass alle LKW-Transporte auf der Strecke von Arlit und Akouta Richtung Atlantik-Küste, wo das Uran für den Weitertransport nach Frankreich auf Schiffe verladen wird, auf eigenes Risiko stattfinde.

Zur selben Zeit, am 23. November 2007, wurden in der Region Agadez, weitere vier Zivilpersonen willkürlich erschossen, darunter ein religiöses Oberhaupt.
Die Leichen der Erschossenen wurden in der Nähe des Dorfes Tchintibizguinte (ca. 25 km von Agadez entfernt) in einem Gemeinschaftsgrab gefunden, wo sie ohne jede Vorkehrung vergraben worden waren. Die Opfer wiesen Schusswunden in den Ohren, auf der Stirn und auf Herzhöhe auf.

Darüber hinaus sind in Agadez ca. 500 Personen auf dem Markt der Regionalen Union der Gemüse-Kooperativen von Agadez (Union Regionale des Cooperatives Maraîchères d’Agadez) und auf dem Viehmarkt verhaftet worden, von denen nur ca. 250 am Abend wieder auf freiem Fuß waren; der Verbleib der anderen Personen ist laut MNJ-Bericht nicht geklärt.


Militärische Auseinandersetzung

Seit dem 25. November haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen MNJ und der nigrischen Armee verschärft. Die Regierung in Niamey hatte eine Kolonne von mehreren hundert Militärfahrzeugen in Richtung Norden entsandt, um die Positionen der MNJ anzugreifen.
Einige der beteiligten Offiziere waren bereits während der Rebellion von 1990 - 95 in den nigrischen Truppen und an dem Massaker von Tchintabaraden beteiligt, bei dem mehrere Hundert zivile Tuareg von der Armee ermordet worden waren.

Der Vorstoss der nigrischen Armee in Richtung Norden wurde vom MNJ an mehreren Stellen gestoppt. Dabei wurde die nigrische Armee in heftige Kämpfe verwickelt, bei welchen diese Soldaten, Fahrzeuge, Waffen und Munition verlor.

Ein größerer Kampf fand in der Nähe der Ortschaft Aweyderer statt. Gemäss dem MNJ hat diese Konfrontation die Kolonne der nigrischen Armee in zwei Teile zersplittert und deren Vormarsch zum Stillstand gebracht. Nach Angaben des MNJ gab es auf Seiten der nigrischen Armee 14 Tote und 17 Verwundete, sowie vier zerstörte Fahrzeuge.

Am 29. November berichtete der MNJ, dass der Vorstoss der nigrischen Armee zu den MNJ-Stützpunkten mit rund 300 Fahrzeugen misslungen ist und sich die Armee nach Arlit zurückgezogen hat, um ihre Verwundeten zu behandeln.

Eine andere Kolonne der Armee konnte zur Ortschaft Iferouane vordringen, wo eine Anzahl Soldaten in einer Armee-Kaserne ausgeharrt hatte; Iferouane war während der letzten Wochen fast vollkommen von der Außenwelt isoliert gewesen.

Gemäss verschiedenen Augenzeugen vor Ort verlegt sich die nigrische Armee derzeit darauf, aus mehr oder weniger sicherer Entfernung, die Bergregionen des Air-Gebirges zu beschiessen. Diese Taktik fordert im Zweifelsfall eher zivile Opfer, als dass sie militärisch erfolgversprechend wäre.


Hintergrund

Der Uranabbau, der von den französischen Unternehmen seit rund 30 Jahren im grossen Stil in der Region von Arlit betrieben wird, führt zu einer beträchtlichen radioaktiven Verseuchung von Wasser, Flora und Fauna, von Atemluft und Lebensmitteln und zu Folgekrankheiten bei der lokalen Bevölkerung.
In radiologischen Untersuchungen waren z.B. in Trinkwasser erhebliche Konzentrationen von Uran sowie hohe Radioaktivität festgestellt worden – Belastungen, die das 7 bis 110-fache (!) des von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgesetzten Grenzwertes erreichen.

Insgesamt ist in Niger bisher Uran im Wert von vielen Millionen Euro abgebaut worden; der Staatshaushalt von Niger wird zu rund 30% aus den Einnahmen aus dem Uranbergbau finanziert.

Die Bevölkerung vor Ort profitiert von diesen Geldern wenig oder gar nicht, ist aber mit erheblichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen konfrontiert, welche die Menschen offensichtlich nicht mehr weiter zu tragen gewillt sind.

Weitere Faktoren des Konfliktes ist die kontinuierliche, ethnisch motivierte Diskriminierung, welcher sich die Tuareg-Minderheit seitens der in Niger dominierenden Haussa-Bevölkerung ausgesetzt sieht. Diese systematische Diskriminierung schlägt sich in der Vergabe von Arbeitsplätzen, in der medizinischen Versorgung, in der schulischen Förderung, in der politischen Integration, sowie in sämtlichen weiteren Bereichen des sozialen Gefüges der Republik Niger nieder: die wenigsten Tuareg finden einen Arbeitsplatz in der Stadt, erhalten die Chance zu einer höheren Bildung oder werden zu einem hohen politischen Amt zugelassen.
Zudem investiert die Regierung im mehrheitlich von Tuareg bewohnten, ländlichen Norden weder in lokale wirtschaftliche, noch in schulische oder medizinische Projekte.

Dies steht im Widerspruch dazu, dass die nigrische Regierung im Friedensvertrag, der 1995 mit den Tuareg in Burkina Faso abgeschlossen worden war, versprach, diese Missstände zu beseitigen. Fünfzehn Jahre später jedoch hat sich an der Marginalisierung der Tuareg nichts geändert, während dagegen seither die Einnahmen aus dem Uranabbau in den von den Tuareg bewohnten Weidegebieten um das Vielfache gestiegen sind.

Nicht vergessen werden sollte die indirekte Verantwortung, welche die westlichen Länder als Uran-Abnehmer (und Nutzer der „umweltfreundlichen“ Atomenergie im eigenen Land) gegenüber der Art und Weise tragen, wie der Rohstoff in den Abbauländern gewonnen wird.