Freitag, 11. April 2008

Im „Schutz“ der Nachrichtensperre: Die Armee mordet weiter

Die Lage im Norden der Republik hat sich seit März 2008 wieder massiv verschärft.

Nach unbestätigten Berichten wurden in den Dörfern und Weilern von Dabaga, Sakafat, Tidène und Tamazlak zwischen dem 19. und dem 24. März 2008 insgesamt mindestens 11 Zivilisten, darunter Kinder, von nigrischen Soldaten hingerichtet (teilweise Hals aufgeschnitten), dazu gelten 7 Personen seither als vermisst (darunter vier hochbetagte Männer).
Weiter haben Soldaten in diesen Ortschaften zusammen ca. 67 Häuser, Hütten und Zelte geplündert und anschliessend niedergebrannt, sowie zusätzlich ein grosses Gemüselager, eine Frauenkooperative und zahlreiche Gärten. Mindestens 60 Tiere wurden erschossen oder verschleppt.

Die neue Serie von Gewalttaten begann am Samstag 1. März 2008, als bei Gougaram drei Tuaregzivilisten von Militärs ermordet wurden. Auch im unweit gelegenen Iferouane blieb die Bevölkerung nicht verschont: Aus Angst vor Übergriffen seitens der Armee haben viele Bewohner ihr Dorf verlassen. Weitere sollen vertrieben worden sein. Gemäss Augenzeugenberichten soll die Oasenstadt Iferouane derzeit bis auf die Regierungstruppen menschenleer sein. Im Weiteren sollen Soldaten damit begonnen haben, private Behausungen abzubrechen und aus den Mauerziegeln vor Ort eine Kaserne zu errichten.

Berichten von zivilen Nomaden zufolge, welche in Arlit Nahrungsmittel für ihre Familien beschaffen wollten, ist es zurzeit nicht mehr erlaubt, Nahrungsmittel aus Arlit auszuführen. Personen, die mit Einkäufen aus Arlit unterwegs sind, riskieren im Falle einer Kontrolle durch die FAN erschossen zu werden (so geschehen am 1. März 2008, siehe oben).

Am 24. Februar 2008 verlängerte der nigrische Präsident, Mamadou Tandja, den am 24. August 2007 erstmals verhängten Ausnahmezustand im Departement Agadez um weitere drei Monate. Seit der Inkraftsetzung des Notstandsgesetzes haben sich die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durch die Armee vervielfacht. Darauf haben die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch am 19. Dezember 2007 mit je einem Report reagiert, in welchem die Ermordungen und weitere Ausschreitungen gegenüber der Zivilbevölkerung scharf verurteilt werden.
Beide Organisationen riefen sowohl die nigrische Regierung als auch die Rebellenorganisation MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) dazu auf, Massnahmen zum Schutz der Einwohner zu ergreifen, wobei Amnesty International insbesondere die Einhaltung des Artikel drei der Genfer Konvention forderte. Weiter wurden die nigrischen Behörden dazu aufgerufen, Untersuchungen der aussergerichtlichen Hinrichtungen einzuleiten sowie deren Verantwortliche vor Gericht zu führen.

Amnesty Link
http://www.amnesty.org/fr/for-media/press-releases/niger-extrajudicial-executions-and-population-displacement-north-country

Human Rights Watch Links
hrw.org/french/docs/2007/12/19/niger17647.htm (français)
hrw.org/english/docs/2007/12/19/niger17647.htm (english)

Weitere Quellen





Maulkorb für Journalisten

Für Journalisten ist die nördliche Region von Niger nach wie vor Sperrgebiet, die Berichterstattung über den Konflikt durch nationale und internationale Journalisten wird von der Regierung unterdrückt und mit Gefängnisstrafen geahndet.

Die arte-Reporter Thomas Dandois und Pierre Creisson, welche im Distrikt Agadez über den Konflikt recherchiert hatten, waren am 17. Dezember 2007 unter dem Vorwurf der Gefährdung der Staatssicherheit – worauf im Niger als Höchststrafe die Hinrichtung steht – festgenommen worden.
Im Januar 2008 kamen die beiden französischen Journalisten gegen die Kaution von € 15.000 frei. Der nigrische Journalist Moussa Kaka, u.a. Korrespondent für Radio France Internationale (RFI), sowie sein Berufskollege Ibrahim Manzo Diallo von der Agadezer Lokalzeitung Aïr Info sitzen weiterhin in Haft. Moussa Kaka, inhaftiert seit dem 26. September 2007, wurde trotz internationalen Bemühungen u.a. durch RSF (Reporters Sans Frontières) am 12. Februar 2008 eine provisorische Freiheit verweigert. Nun droht ihm lebenslängliche Haft.

Am 12. März 2008 wurden die FM-Sendungen von Radio France Internationale auf dem nigrischen Territorium erneut für drei Monate suspendiert, dies nachdem der Sender am 10. März verschiedene Sondersendungen zur Solidarität mit Moussa Kaka ausgestrahlt hatte. Es handelt sich bereits um die zweite, von der Regierung des Niger angeordneten Suspendierung, erstmals war RFI vom 19. Juli bis 19. Oktober 2007 für den Niger gesperrt worden.

Links
(français)
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Streitpunkt Uranabbau

Am 23. Januar 2008 verliehen die schweizerischen Organisatoren der „Public Eye Awards“ dem französischen Nuklearkonzern AREVA die Auszeich¬nung für das „übelste Unter¬nehmen des Jahres“, dies als Quittung für seinen umweltzerstörenden und die Gesundheit vieler Menschen gefährdenden Uranabbau in Arlit und Akokan, im nördlichen Niger. Zwei Drittel der per Internet Abstimmenden hatten AREVA überdies für den „Public Eye Public Award“ nominiert, dem Publikums-Negativpreis des Jahres.
Almoustapha Alhacen, Präsident und Mitbegründer der nigrischen Umweltorganisation Aghir in Man in Arlit, berichtete auf seiner anschliessenden Europatournee von den bis heute ungenügenden Schutzmassnahmen in den nigrischen Uranminen und deren schlimme gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt.

Die rund 45 Mio. Tonnen radioaktive Abfälle, welche bei den bisher ca. 100’000 Tonnen für die westliche Welt produzierten Urans entstanden sind, liegen bis zum heutigen Tag ungeschützt in der Gegend von Arlit herum; radioaktives Material wird bis in die Siedlungen verweht und verseucht das Wasser. Radioaktiv belastete Metallabfälle werden von der Bevölkerung aus Unwissenheit mitunter zu Kochtöpfen verarbeitet oder beim Hausbau verwendet.

Im Jahr 2004 bestätigte die unabhängige französische Umweltorganisation CRIIRAD auf Einladung von Aghir in Man die dramatische Lage vor Ort: Das der Bevölkerung zur Verfügung gestellte Wasser war mit bis zum 110fachen des von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) festgelegten Toleranzwertes belastet. Auch in der Luft wurden zu hohe Konzentrationen radioaktiven Staubes gemessen. Auf alle Schreiben der Umweltorganisationen hin, hatte AREVA jedoch nur mit Ablehnung und Drohungen, die Bergwerke zu schliessen, reagiert. Derzeit plant AREVA in Imouraren, ca. 60km von Arlit, ein neues Uranbergwerk. Der entsprechende Vertrag mit der Regierung von Niger ist bereits unterzeichnet.

Seit 40 Jahren wird in Niger Uran abgebaut, das Land ist heute der drittgrösste Uranlieferant weltweit, und steht trotzdem an viertletzter Stelle auf der Entwicklungsrangliste der UNO. Heute wehren sich die Tuareg gegen den Ausverkauf ihrer Ressourcen, von dem die lokale Bevölkerung ausser der nachhaltigen Verschmutzung und Zerstörung ihrer Umwelt bis heute nichts abbekommen hat.

Link UNDP


Weiterführende Informationen

,„Die Gewinner 2008“
, siehe „Atomenergie“ – „Woher stammt eigentlich das Uran?“

Filme

„Arlit – deuxieme Paris“ von Idrissou Mora-Kpai, auf deutsch und französisch verfügbar (siehe auch: )

-„Pollution durable“ von Dominique Berger und Paul Lannoye
(siehe auch: ) (nur in Franz verfügbar)

Niger vergibt 19 neue Uranabbau-Lizenzen an 7 Konzerne



Links zur Petition „Frieden in der Republik Niger“
(deutsch)
(français)
(english)