Freitag, 11. April 2008

Im „Schutz“ der Nachrichtensperre: Die Armee mordet weiter

Die Lage im Norden der Republik hat sich seit März 2008 wieder massiv verschärft.

Nach unbestätigten Berichten wurden in den Dörfern und Weilern von Dabaga, Sakafat, Tidène und Tamazlak zwischen dem 19. und dem 24. März 2008 insgesamt mindestens 11 Zivilisten, darunter Kinder, von nigrischen Soldaten hingerichtet (teilweise Hals aufgeschnitten), dazu gelten 7 Personen seither als vermisst (darunter vier hochbetagte Männer).
Weiter haben Soldaten in diesen Ortschaften zusammen ca. 67 Häuser, Hütten und Zelte geplündert und anschliessend niedergebrannt, sowie zusätzlich ein grosses Gemüselager, eine Frauenkooperative und zahlreiche Gärten. Mindestens 60 Tiere wurden erschossen oder verschleppt.

Die neue Serie von Gewalttaten begann am Samstag 1. März 2008, als bei Gougaram drei Tuaregzivilisten von Militärs ermordet wurden. Auch im unweit gelegenen Iferouane blieb die Bevölkerung nicht verschont: Aus Angst vor Übergriffen seitens der Armee haben viele Bewohner ihr Dorf verlassen. Weitere sollen vertrieben worden sein. Gemäss Augenzeugenberichten soll die Oasenstadt Iferouane derzeit bis auf die Regierungstruppen menschenleer sein. Im Weiteren sollen Soldaten damit begonnen haben, private Behausungen abzubrechen und aus den Mauerziegeln vor Ort eine Kaserne zu errichten.

Berichten von zivilen Nomaden zufolge, welche in Arlit Nahrungsmittel für ihre Familien beschaffen wollten, ist es zurzeit nicht mehr erlaubt, Nahrungsmittel aus Arlit auszuführen. Personen, die mit Einkäufen aus Arlit unterwegs sind, riskieren im Falle einer Kontrolle durch die FAN erschossen zu werden (so geschehen am 1. März 2008, siehe oben).

Am 24. Februar 2008 verlängerte der nigrische Präsident, Mamadou Tandja, den am 24. August 2007 erstmals verhängten Ausnahmezustand im Departement Agadez um weitere drei Monate. Seit der Inkraftsetzung des Notstandsgesetzes haben sich die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durch die Armee vervielfacht. Darauf haben die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch am 19. Dezember 2007 mit je einem Report reagiert, in welchem die Ermordungen und weitere Ausschreitungen gegenüber der Zivilbevölkerung scharf verurteilt werden.
Beide Organisationen riefen sowohl die nigrische Regierung als auch die Rebellenorganisation MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) dazu auf, Massnahmen zum Schutz der Einwohner zu ergreifen, wobei Amnesty International insbesondere die Einhaltung des Artikel drei der Genfer Konvention forderte. Weiter wurden die nigrischen Behörden dazu aufgerufen, Untersuchungen der aussergerichtlichen Hinrichtungen einzuleiten sowie deren Verantwortliche vor Gericht zu führen.

Amnesty Link
http://www.amnesty.org/fr/for-media/press-releases/niger-extrajudicial-executions-and-population-displacement-north-country

Human Rights Watch Links
hrw.org/french/docs/2007/12/19/niger17647.htm (français)
hrw.org/english/docs/2007/12/19/niger17647.htm (english)

Weitere Quellen





Maulkorb für Journalisten

Für Journalisten ist die nördliche Region von Niger nach wie vor Sperrgebiet, die Berichterstattung über den Konflikt durch nationale und internationale Journalisten wird von der Regierung unterdrückt und mit Gefängnisstrafen geahndet.

Die arte-Reporter Thomas Dandois und Pierre Creisson, welche im Distrikt Agadez über den Konflikt recherchiert hatten, waren am 17. Dezember 2007 unter dem Vorwurf der Gefährdung der Staatssicherheit – worauf im Niger als Höchststrafe die Hinrichtung steht – festgenommen worden.
Im Januar 2008 kamen die beiden französischen Journalisten gegen die Kaution von € 15.000 frei. Der nigrische Journalist Moussa Kaka, u.a. Korrespondent für Radio France Internationale (RFI), sowie sein Berufskollege Ibrahim Manzo Diallo von der Agadezer Lokalzeitung Aïr Info sitzen weiterhin in Haft. Moussa Kaka, inhaftiert seit dem 26. September 2007, wurde trotz internationalen Bemühungen u.a. durch RSF (Reporters Sans Frontières) am 12. Februar 2008 eine provisorische Freiheit verweigert. Nun droht ihm lebenslängliche Haft.

Am 12. März 2008 wurden die FM-Sendungen von Radio France Internationale auf dem nigrischen Territorium erneut für drei Monate suspendiert, dies nachdem der Sender am 10. März verschiedene Sondersendungen zur Solidarität mit Moussa Kaka ausgestrahlt hatte. Es handelt sich bereits um die zweite, von der Regierung des Niger angeordneten Suspendierung, erstmals war RFI vom 19. Juli bis 19. Oktober 2007 für den Niger gesperrt worden.

Links
(français)
(français)


Streitpunkt Uranabbau

Am 23. Januar 2008 verliehen die schweizerischen Organisatoren der „Public Eye Awards“ dem französischen Nuklearkonzern AREVA die Auszeich¬nung für das „übelste Unter¬nehmen des Jahres“, dies als Quittung für seinen umweltzerstörenden und die Gesundheit vieler Menschen gefährdenden Uranabbau in Arlit und Akokan, im nördlichen Niger. Zwei Drittel der per Internet Abstimmenden hatten AREVA überdies für den „Public Eye Public Award“ nominiert, dem Publikums-Negativpreis des Jahres.
Almoustapha Alhacen, Präsident und Mitbegründer der nigrischen Umweltorganisation Aghir in Man in Arlit, berichtete auf seiner anschliessenden Europatournee von den bis heute ungenügenden Schutzmassnahmen in den nigrischen Uranminen und deren schlimme gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt.

Die rund 45 Mio. Tonnen radioaktive Abfälle, welche bei den bisher ca. 100’000 Tonnen für die westliche Welt produzierten Urans entstanden sind, liegen bis zum heutigen Tag ungeschützt in der Gegend von Arlit herum; radioaktives Material wird bis in die Siedlungen verweht und verseucht das Wasser. Radioaktiv belastete Metallabfälle werden von der Bevölkerung aus Unwissenheit mitunter zu Kochtöpfen verarbeitet oder beim Hausbau verwendet.

Im Jahr 2004 bestätigte die unabhängige französische Umweltorganisation CRIIRAD auf Einladung von Aghir in Man die dramatische Lage vor Ort: Das der Bevölkerung zur Verfügung gestellte Wasser war mit bis zum 110fachen des von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) festgelegten Toleranzwertes belastet. Auch in der Luft wurden zu hohe Konzentrationen radioaktiven Staubes gemessen. Auf alle Schreiben der Umweltorganisationen hin, hatte AREVA jedoch nur mit Ablehnung und Drohungen, die Bergwerke zu schliessen, reagiert. Derzeit plant AREVA in Imouraren, ca. 60km von Arlit, ein neues Uranbergwerk. Der entsprechende Vertrag mit der Regierung von Niger ist bereits unterzeichnet.

Seit 40 Jahren wird in Niger Uran abgebaut, das Land ist heute der drittgrösste Uranlieferant weltweit, und steht trotzdem an viertletzter Stelle auf der Entwicklungsrangliste der UNO. Heute wehren sich die Tuareg gegen den Ausverkauf ihrer Ressourcen, von dem die lokale Bevölkerung ausser der nachhaltigen Verschmutzung und Zerstörung ihrer Umwelt bis heute nichts abbekommen hat.

Link UNDP


Weiterführende Informationen

,„Die Gewinner 2008“
, siehe „Atomenergie“ – „Woher stammt eigentlich das Uran?“

Filme

„Arlit – deuxieme Paris“ von Idrissou Mora-Kpai, auf deutsch und französisch verfügbar (siehe auch: )

-„Pollution durable“ von Dominique Berger und Paul Lannoye
(siehe auch: ) (nur in Franz verfügbar)

Niger vergibt 19 neue Uranabbau-Lizenzen an 7 Konzerne



Links zur Petition „Frieden in der Republik Niger“
(deutsch)
(français)
(english)

Mittwoch, 26. Dezember 2007

amnesty international und Human Rights Watch bestätigen willkürliche Erschiessungen in Niger

Am 19. Dezember 2007 sind zwei wesentliche Stellungnahmen / Reports betreffend die Situation im Norden von Niger erschienen:


Stellungnahme von amnesty international

http://www.amnesty.org/fr/for-media/press-releases/niger-exécutions-extrajudiciaires-et-déplacements-de-populations-dans-le
(derzeit nur in französisch verfügbar)

amnesty international ruft darin explizit die Regierung von Niger zur Einhaltung der Genfer Konvention auf.
Der Bericht dokumentiert anhand von Augenzeugenberichten willkürliche Erschiessungen von Tuareg oder von für Tuareg gehaltene Zivilpersonen, die - so der amnesty-Bericht – als Vergeltung für Angriffe der MNJ von der Armee des Niger erschossen worden sind.

ai benutzt dabei ausdrücklich den Begriff der „executions extrajudicaires“ (aussergesetzliche Hinrichtungen), die im Widerspruch zur Genfer Konvention stehen. Der amnesty-Bericht spricht von 13 nachgewiesenen willkürlichen Hinrichtungen und bestätigt damit grundsätzlich die von der MNJ behauptete und von newsgroup.nordniger weiterverbreitete Tatsache der Vergeltung seitens der Armee des Niger an Zivilpersonen.

Die MNJ gibt auf ihrer website (http://m-n-j.blogspot.com/) eine wesentlich höhere Zahl von derartigen willkürlichen Hinrichtungen an.




Report von HUMAN RIGHTS WATCH

http://hrw.org/english/docs/2007/12/19/niger17623.htm
(englisch / anglais)
http://hrw.org/french/docs/2007/12/19/niger17647.htm
(francais / french / französisch)

Zeitgleich wurde ein – ausführlicherer – Bericht von Human Rights Watch veröffentlicht.

Dieser Bericht beinhaltet mehrere Augenzeugenberichte, die willkürliche Erschiessungen bestätigen.

Darüberhinaus berichtet Human Rights Watch auch von Vergewaltigungen an Tuareg-Frauen, vom Abschlachten von Vieh (eine der Lebensgrundlagen der Tuareg), sowie von willkürlichen Verhaftungen. Alle diese Menschenrechtsverletzungen wurden von Angehörigen der Armee des Niger begangen.

Der MNJ wird angelastet, verschiedene Nicht-Tuareg bestohlen bzw. ausgeraubt zu haben.

Die MNJ bestreitet dies und weist daraufhin, dass diese Vorfälle nicht von Angehörigen der MNJ begangen worden seien.

Andere Menschenrechtsverletzungen werden der Rebellengruppe nicht angelastet.

(aus Urheberrechts-Gründen geben wir hier nur den link zu den entsprechenden Statements / Reports wieder, für weitere Information.)

Dienstag, 4. Dezember 2007

Nigrische Armee: Niederlagen und weitere Übergriffe auf Bevölkerung

In den vergangenen Tagen hat sich die Situation im Norden von Niger in der Konfrontation zwischen der MNJ (Mouvement des Nigeriens pour la Justice) und der Armee des Niger (FAN) erheblich zugespitzt.

Zunächst wurde am 20. November 2007 die Ermordung von zwei Zivilpersonen in der Nähe des Dorfes Atri in der Aïr-Region, durch die nigrische Armee vermeldet; die Opfer waren Adam Abarchi (70 Jahre) und Ghoumour Assaleh (25 Jahre). Die Ermordeten waren nach Angaben der MNJ Zivilpersonen und wurden ohne Grund erschossen.

Am 23. November 2007 warnte der MNJ die in der Region von Arlit tätige Uranabbaufirma AREVA davor, weitere Transporte durch die von den Tuareg bewohnte Region zu unternehmen. Dabei hob der MNJ hervor, dass alle LKW-Transporte auf der Strecke von Arlit und Akouta Richtung Atlantik-Küste, wo das Uran für den Weitertransport nach Frankreich auf Schiffe verladen wird, auf eigenes Risiko stattfinde.

Zur selben Zeit, am 23. November 2007, wurden in der Region Agadez, weitere vier Zivilpersonen willkürlich erschossen, darunter ein religiöses Oberhaupt.
Die Leichen der Erschossenen wurden in der Nähe des Dorfes Tchintibizguinte (ca. 25 km von Agadez entfernt) in einem Gemeinschaftsgrab gefunden, wo sie ohne jede Vorkehrung vergraben worden waren. Die Opfer wiesen Schusswunden in den Ohren, auf der Stirn und auf Herzhöhe auf.

Darüber hinaus sind in Agadez ca. 500 Personen auf dem Markt der Regionalen Union der Gemüse-Kooperativen von Agadez (Union Regionale des Cooperatives Maraîchères d’Agadez) und auf dem Viehmarkt verhaftet worden, von denen nur ca. 250 am Abend wieder auf freiem Fuß waren; der Verbleib der anderen Personen ist laut MNJ-Bericht nicht geklärt.


Militärische Auseinandersetzung

Seit dem 25. November haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen MNJ und der nigrischen Armee verschärft. Die Regierung in Niamey hatte eine Kolonne von mehreren hundert Militärfahrzeugen in Richtung Norden entsandt, um die Positionen der MNJ anzugreifen.
Einige der beteiligten Offiziere waren bereits während der Rebellion von 1990 - 95 in den nigrischen Truppen und an dem Massaker von Tchintabaraden beteiligt, bei dem mehrere Hundert zivile Tuareg von der Armee ermordet worden waren.

Der Vorstoss der nigrischen Armee in Richtung Norden wurde vom MNJ an mehreren Stellen gestoppt. Dabei wurde die nigrische Armee in heftige Kämpfe verwickelt, bei welchen diese Soldaten, Fahrzeuge, Waffen und Munition verlor.

Ein größerer Kampf fand in der Nähe der Ortschaft Aweyderer statt. Gemäss dem MNJ hat diese Konfrontation die Kolonne der nigrischen Armee in zwei Teile zersplittert und deren Vormarsch zum Stillstand gebracht. Nach Angaben des MNJ gab es auf Seiten der nigrischen Armee 14 Tote und 17 Verwundete, sowie vier zerstörte Fahrzeuge.

Am 29. November berichtete der MNJ, dass der Vorstoss der nigrischen Armee zu den MNJ-Stützpunkten mit rund 300 Fahrzeugen misslungen ist und sich die Armee nach Arlit zurückgezogen hat, um ihre Verwundeten zu behandeln.

Eine andere Kolonne der Armee konnte zur Ortschaft Iferouane vordringen, wo eine Anzahl Soldaten in einer Armee-Kaserne ausgeharrt hatte; Iferouane war während der letzten Wochen fast vollkommen von der Außenwelt isoliert gewesen.

Gemäss verschiedenen Augenzeugen vor Ort verlegt sich die nigrische Armee derzeit darauf, aus mehr oder weniger sicherer Entfernung, die Bergregionen des Air-Gebirges zu beschiessen. Diese Taktik fordert im Zweifelsfall eher zivile Opfer, als dass sie militärisch erfolgversprechend wäre.


Hintergrund

Der Uranabbau, der von den französischen Unternehmen seit rund 30 Jahren im grossen Stil in der Region von Arlit betrieben wird, führt zu einer beträchtlichen radioaktiven Verseuchung von Wasser, Flora und Fauna, von Atemluft und Lebensmitteln und zu Folgekrankheiten bei der lokalen Bevölkerung.
In radiologischen Untersuchungen waren z.B. in Trinkwasser erhebliche Konzentrationen von Uran sowie hohe Radioaktivität festgestellt worden – Belastungen, die das 7 bis 110-fache (!) des von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgesetzten Grenzwertes erreichen.

Insgesamt ist in Niger bisher Uran im Wert von vielen Millionen Euro abgebaut worden; der Staatshaushalt von Niger wird zu rund 30% aus den Einnahmen aus dem Uranbergbau finanziert.

Die Bevölkerung vor Ort profitiert von diesen Geldern wenig oder gar nicht, ist aber mit erheblichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen konfrontiert, welche die Menschen offensichtlich nicht mehr weiter zu tragen gewillt sind.

Weitere Faktoren des Konfliktes ist die kontinuierliche, ethnisch motivierte Diskriminierung, welcher sich die Tuareg-Minderheit seitens der in Niger dominierenden Haussa-Bevölkerung ausgesetzt sieht. Diese systematische Diskriminierung schlägt sich in der Vergabe von Arbeitsplätzen, in der medizinischen Versorgung, in der schulischen Förderung, in der politischen Integration, sowie in sämtlichen weiteren Bereichen des sozialen Gefüges der Republik Niger nieder: die wenigsten Tuareg finden einen Arbeitsplatz in der Stadt, erhalten die Chance zu einer höheren Bildung oder werden zu einem hohen politischen Amt zugelassen.
Zudem investiert die Regierung im mehrheitlich von Tuareg bewohnten, ländlichen Norden weder in lokale wirtschaftliche, noch in schulische oder medizinische Projekte.

Dies steht im Widerspruch dazu, dass die nigrische Regierung im Friedensvertrag, der 1995 mit den Tuareg in Burkina Faso abgeschlossen worden war, versprach, diese Missstände zu beseitigen. Fünfzehn Jahre später jedoch hat sich an der Marginalisierung der Tuareg nichts geändert, während dagegen seither die Einnahmen aus dem Uranabbau in den von den Tuareg bewohnten Weidegebieten um das Vielfache gestiegen sind.

Nicht vergessen werden sollte die indirekte Verantwortung, welche die westlichen Länder als Uran-Abnehmer (und Nutzer der „umweltfreundlichen“ Atomenergie im eigenen Land) gegenüber der Art und Weise tragen, wie der Rohstoff in den Abbauländern gewonnen wird.

Montag, 8. Oktober 2007

Massaker im Norden Nigers

08.10.2007


Am 1. Oktober erfuhren wir, dass eine Patrouille der nigrischen Armee FAN (Forces armées nigeriens) in der extrem-nördlichen Region nahe der algerischen Grenze fünf Fahrzeuge angehalten hat, die in Richtung Norden fuhren, und die Insassen zwang, auszusteigen. Die FAN trennte daraufhin die dunkelhäutigen von den hellhäutigen Insassen, die vermutlich für Tuareg gehalten wurden.

Die Soldaten der FAN erschossen diese Personen.

Einen Tag nach diesem Vorfall griffen dieselben Soldaten der FAN weiter südlich, in dem Gebiet zwischen Assamaka und Arlit, 17 Tuareg in ihren Zelten auf und erschossen sie anschließend willkürlich und ohne jeden Grund.

Laut Berichten der MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) gehörten diese Personen nicht zur bewaffneten Oppositionsbewegung.

Alle erschossenen Personen waren zum fraglichen Zeitpunkt in keinerlei Kampfhandlungen verwickelt. Es gibt keinerlei Gerichtsurteil oder dergleichen gegen sie.

Damit verstößt die FAN und die nigrische Regierung erneut gegen die Genfer Konvention und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte!

Weiterhin befindet sich der Journalist von Radio France International, Moussa Kaka, in nigrischer Haft. Er berichtete über den aktuellen Konflikt im Norden und hatte damit auch Kontakte zur MNJ, was ihm nun von der Regierung des Nigers vorgeworfen wird. Dies verletzt die allgemeine Pressefreiheit. Unter anderen setzen sich Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières) für seine Freilassung ein.

Sonntag, 30. September 2007

Humane "Banditen" und ein uneinsichtiger Präsident

25.09.2007

Lage im Norden Niger spitzt sich zu

Infolge der Verminung verschiedener Gebiete rund um Städte und Dörfer in der nördlichen Region, insbesondere um Iferouane, ist die Zivilbevölkerung stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Lebensmittellieferungen sind zum Teil nicht mehr möglich, die wenig vorhandenen Lebensmittel werden zu unbezahlbaren Preisen angeboten, die Grundversorgung ist meist ungenügend. Als Folge dessen fliehen viele Menschen aus den nördlichen Gebieten in den Süden.

Ausnahmezustand für die Region Agadez

Unterdessen hat der Präsident der Republik Niger, Mamadou Tandja, für das Departement Agadez Ende August einen dreimonatigen Notstand ausgerufen. Damit hat die nigrische Armee freie Hand, die seit sieben Monaten andauernden Unruhen unter Kontrolle zu bringen. Die Mittel, welche sie dazu einsetzt, sind jedoch fragwürdig. Seit der Anwendung des Notstandsgesetzes wurden über 100 Zivilisten vorübergehend festgenommen, davon sind mindestens 10 Personen noch immer ohne Anklage und unter unmenschlichen Bedingungen in Haft.

Beunruhigend ist, dass es sich um jene Personen handelt, die sich für einen Dialog der Regierung mit dem MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) engagieren, oder über die Geschehnisse im Norden Nigers berichten.

Die Verhaftung beziehungsweise das Festhalten von Zivilpersonen im Gewahrsam von Armee oder Polizei, die nicht an dem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, erfüllt den Tatbestand der „arbitrary detention“ (willkürliche Verhaftung) und ist damit eine Verletzung des Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auch Amnesty International verurteilte die willkürlichen Verhaftungen aufs Schärfste.

Weiterhin Einschränkung der Pressefreiheit

Vor wenigen Tagen, am 20. September 2007, wurde Moussa Kaka, Korrespondent von Radio France Internationale (RFI), festgenommen, da er wiederholt über den Konflikt gesendet hatte.

Radio France Internationale war bereits im Juli mit einem einmonatigen Sendeverbot in Niger belegt worden, da der Sender über den Konflikt im Norden des Landes berichtet hatte. Erst am 20. August 2007 hatte RFI den Betrieb wieder aufgenommen.

Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières) setzt sich für eine Freilassung von Moussa Kaka ein und berichtet über andere Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Weiterhin ist die nördliche Region des Nigers für inländische wie ausländische Journalisten gesperrt.

Zusammenstösse zwischen MNJ und FAN (Force Armée Nigerien)

Unterdessen ist es in den letzten Wochen mehrfach zu Zusammenstössen zwischen der nigrischen Armee FAN und Angehörigen des MNJ gekommen, wobei auf beiden Seiten Opfer zu beklagen sind.

Um die Regierung des Nigers zu Verhandlungen zu bewegen, übergab der MNJ wiederholt nigrische Soldaten, welche er zuvor bei Angriffen gefangen genommen hatte, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes.

Zu Beginn des Ramadans vergangene Woche wurden zudem auch die Gefangenen des Angriffs auf Tezirzayt im Juni dieses Jahres freigelassen.

Gleichzeitig kündigte der MNJ seinerseits für die Zeit des Ramadan einen Waffenstillstand an. Von Seiten der FAN beziehungsweise der Regierung gab es dazu keine Stellungnahmen.

Tandja’s Kommunikationspolitik

Obwohl der Präsident Mamadou Tandja weiterhin von Banditen und Drogenschmugglern spricht, bat er den Nachbarstaat Libyen um Hilfe bei der Vermittlung zwischen den Rebellen. Die Rolle des libyschen Präsidenten Muammar Ghadafi bleibt jedoch undurchsichtig. Ende August verklagte Ghadafi drei unabhängige Zeitungen in Niamey, die ihn vor Längerem als Unterstützer des MNJ darstellten. Zugleich wird Ghadafi vorgeworfen, Anspruch auf nigrische Territorien und deren Bodenschätze zu. Nichts desto trotz sieht Tandja seine politischen Hoffnungen, den Konflikt zu lösen, in den Regierungen von Lybien, Sudan und Algerien, anstatt selbst mit dem MNJ zu verhandeln.

Niger, die Tuareg und das Uran

Unterdessen hat die Regierung von Niger zum ersten Mal eigenständig Uran auf dem Weltmarkt verkauft. Bisher hatte das französische Unternehmen AREVA das Monopol in Niger, nach einer Krise musste AREVA jedoch Zugeständnisse an die nigrische Regierung machen. Der französische Präsident Sarkozy forderte unterdessen die Offenlegung der Mittelverwendung aus Einnahmen des Uranverkaufs.

Die Ausbeutung der Ressourcen, insbesondere der Uranvorkommen im Norden des Niger, die damit verbundenen ökologischen Gefahren und die wirtschaftliche Teilhabe für die Menschen aus den Abbaugebieten sind mit ein wesentlicher Grund für die aktuelle Auseinandersetzung.

Deklaration über die Rechte indigener Völker verabschiedet

In der am 13. September 2007 von der UNO Vollversammlung verabschiedeten Erklärung der Rechte der indigenen Völker (Declaration on the Rights of Indigenous Peoples) wird der MNJ bei seinen Bemühungen gestärkt.

Die Bedeutung der Deklaration ist unter anderem darin zu sehen, dass sie das Recht der Indigenen, zu denen die Tuareg auch durch ihre umfangreiche Mitarbeit an der Erklärung zählen, auf Selbstbestimmung ausdrücklich anerkennt, und ihr Recht auf die Bodenschätze in ihren traditionellen Siedlungsgebieten respektiert.

Angespannte Situation in Mali

Inzwischen gibt es auch beunruhigende Ereignisse im Norden des Nachbarstaates Mali. Seit Ende August ist es in der Region Kidal zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der malischen Armee und Tuareg rund um den Anführer Ibrahim Ag Bahanga gekommen.

Die Ursachen der Auseinandersetzungen kommen einem nicht fremd vor. Wie auch in Niger geht es um die Umsetzung der Friedensabkommen von 1995, umfangreichere Entwicklungshilfeprojekte für den Norden und um eine grössere Gewinnbeteiligung der nördlichen Regionen beim Rohstoffverkauf.

Während es seitens des MNJ und von Ag Bahanga keine Zusammenarbeit gibt, werden die Regierungen von Mali und Niger militärisch an ihren Grenzen zusammenarbeiten, um dem sogenannten "Banditentum" und "Drogenschmuggel" Herr zu werden.

Anders als die nigrische Regierung zeigt sich Mali jedoch gesprächsbereit. Führende Tuaregrebellen aus den Rebellionen in den 60er und 90er Jahren vermitteln seit Mitte September zwischen Regierung und Ag Bahanga. Mali machte nun erste Zugeständnisse bei der Verteilung von Entwicklungshilfegeldern. Auch Algerien sagte seine Unterstützung für Entwicklungsprojekte im Norden Malis zu. Die malische Armee möchte vorerst abwarten und keine neuen Gegenangriffe starten.

Ibrahim Ag Bahanga reagiert einsichtig und ließ gefangene Soldaten frei. Zudem wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Ob sich die Lage in Mali damit wieder stabilisiert, bleibt abzuwarten.

Regierung weiter auf Konfrontationskurs mit Tuareg-Rebellen

16.08.2007


Weiterhin werden willkürlich Zivilpersonen im Departement Agadez von der Armee des Nigers verhaftet. Von ihnen fehlt bislang jede Spur. Unterdessen wurden in der Region um Iferouane Landminen entdeckt, wie Zivilbevölkerung und Tuareg-Kämpfer übereinstimmend berichten.

In den letzten Wochen sind vermehrt Sympathisanten des MNJ ("Mouvement des Nigériens pour la Justice") aus den Reihen der FAN (Force Armée Nigerien) und der FNIS (Force nationale d'intervention et de sécurité) zur Rebellenbewegung übergelaufen. Im Mai desertierten Soldaten der FNIS, die eine Uranmine von der französischen Firma AREVA in Imouraren bewachten, mit ihrem Sold und Waffen, um sich dem MNJ anzuschliessen.

Daraufhin beschuldigte die nigrische Regierung AREVA, sie würde den MNJ beziehungsweise die Tuareg-Rebellion unterstützen. Dies gipfelte am 26. Juli in der Landesverweisung von Dominique Pin, dem Vertreter von AREVA in Niger. Ende Juni wurde bereits Gilles Denamur, ein Sicherheitsexperte bei AREVA, aus dem Lande verwiesen, da er laut der Regierung des Nigers ein Komplize der vergangenen Tuareg-Rebellion von 1990- 1995 gewesen sei.

AREVA wies die Anklage wiederholt zurück. Am 27. Juli schaltete sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy ein und drängte auf eine rasche Lösung. Nach anschliessenden Gesprächen zwischen beiden Regierungen und AREVA verlängerte Niger die Verträge mit dem Uranabbauunternehmen AREVA, das in Niger bisher das Monopol besass. Der neue Vertrag verbessert die Konditionen zugunsten für die nigrische Regierung um ein Vielfaches.

Da die nigrische Regierung nach wie vor keine Kontrolle über die Rebellenbewegung im Norden hat, bat sie die Nachbarstaaten um Hilfe bei dem Umgang mit dem MNJ. Der Präsident, Mamadou Tandja, verharmlost die Rebellion weiterhin, indem er von "bewaffnetem Banditentum" und "Drogenschmuggel“ spricht, was Verhandlungen bislang unmöglich macht. Mitte Juli bot sich Burkina Faso als Vermittler zwischen Rebellen und Regierung an. Bereits in der vergangenen Rebellion wurden erfolgreiche Friedensgespräche u.a. mit Hilfe von Burkina Faso durchgeführt.

Bereits am 15. Juli 2007 gab der MNJ die Gründung eines politischen Büros bekannt, dessen Ziel es ist, die grosse Tuareg-Diaspora in der westlichen Welt zu erreichen, internationale Vertretungen und Beziehungen des MNJ aufzubauen und Spendenaktionen zu koordinieren.

Der MNJ signalisiert nach wie vor die Bereitschaft zu Verhandlungen. Dies wurde am 5. August mit der Befreiung von sechs Soldaten, die im Angriff auf Tazerzayt gefangen genommen worden waren, zusätzlich unterstrichen.

Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, überfiel der MNJ vom 9. auf den 10. August ein Elektrizitätswerk, das Uranabbauminen von AREVA mit Strom versorgt, sowie ein Treibstofflager in Agadez, das von der FAN genutzt wird. Bei nachfolgenden Gefechten zwischen dem MNJ und der FAN wurden zwei Zivilisten von der nigrischen Armee getötet.

Erneute Tuareg-Rebellion: Hypotheken der Vergangenheit?

20.07.2007

Seit Februar dieses Jahres schwelen im Norden der Republik Niger erneut Unruhen. Bereits werden zahlreiche Tote – darunter auch Zivilisten – und Vermisste gemeldet. Werden ungelöste Konflikte zur Neuauflage der Ereignisse von 1990-95 führen?

Zahlreiche Tuareg rund um Vertreter der Tuareg-Rebellion der Neunziger Jahre haben sich im vergangenen Februar zu einer neuen Front mit dem Namen „Mouvement des Nigériens pour la Justice“*, kurz MNJ, zusammengeschlossen. Seither ist es zu mehreren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee des Niger und dem MNJ gekommen. Auch wurden mehrmals kommerzielle ausländische Einrichtungen angegriffen, so zum Beispiel ein Uran-Bergwerk der französischen Firma Areva.

Die Verhaftung und Ermordung von drei zivilen, hochbetagten Tuareg-Männern durch das Militär in der Region Tezirzayt (inzwischen durch mehrere, auch militärische Quellen in Niger bestätigt) und Vermisstmeldungen von über 250 nach Verhaftungen verschwundenen Zivilisten, brachte den Konflikt zur Eskalation. Als Vergeltungsakt haben die Rebellen des MNJ einen Angriff auf den militärischen Stützpunkt in Tezirzayt unternommen, wobei 17 nigrische Soldaten getötet, weitere 43 verletzt und über 70 gefangen genommen wurden. Kurz nach dem Angriff rief der MNJ das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) an, die medizinische Versorgung der schwerverletzten Gefangenen zu sichern. Am 25. Juni wurden die 30 schwerstverwundeten Soldaten freigelassen und einer Delegation des IKRK zur Überführung ins Spital von Arlit übergeben.

Trotz der internationalen Beachtung, welche die Ereignisse in den letzten Wochen fanden, spricht die Regierung des Niger weiterhin von "bewaffnetem Banditentum" und "Drogenschmuggel“. Sie weigert sich, die Tuareg-Rebellen und ihre Organisation MNJ anzuerkennen, welche sich gemäss der MNJ-Website für alle Nigerier, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, einsetzt. Entsprechend haben sich bereits zahlreiche Nicht-Tuareg den MNJ-Kämpfern angeschlossen.

Neben der Weigerung der Regierung, die Rebellion anzuerkennen, wird eine aktive Pressezensur betrieben: Am 1. Juli wurde die unabhängige Zeitung "Aïr Info" in Agadez aufgrund ihrer Berichterstattung über die Geschehnisse für 3 Monate suspendiert. Drei andere private Zeitungen in Niamey erhielten Verwarnungen.

Die Tuaregrebellen haben mehrmals ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der Regierung signalisiert. Dies jedoch unter der Bedingung, dass diese ihre Organisation MNJ als Rebellionsbewegung anerkennt.

Mehrmals kuriserten (allerdings unbestätigte) Informationen, gemäss welchen die Regierung des Niger andere Länder um militärische Untersützung angefragt hätte. Zuletzt wurde am 3. Juli auf der Website des MNJ gemeldet, Präsident Mamadou Tandja wolle von der Ukraine Kampfhubschrauber des Typs MI-24 erwerben, um die Lager des MNJ anzugreifen.

Die Gründe für den Konflikt sind in der anhaltenden Benachteiligung des Nordens sowie in der Ausbeutung und Exploration (insbesondere durch Frankreich und China) der reichen Uranvorkommen zu sehen, die ein bedeutendes Gesundheits- und Umweltrisiko für die dort lebende Bevölkerung darstellt. Unter der Mediation von Frankreich, Algerien und Burkina Faso war 1995 der letzte bewaffnete Aufstand der Tuareg durch ein Friedensabkommen zwischen den Tuareg und der nigrischen Regierung beendet worden. Dieses Abkommen beinhaltet neben einer umfassenden administrativen und militärischen Dezentralisierung des Landes auch vermehrte Investitionen in die nördliche Region, insbesondere in das Bildungswesen und die medizinische Grundversorgung. Ebenso wurde der Bevölkerung des Nordens, grösstenteils aus Tuareg bestehend, gewisse Selbstverwaltungsrechte zugestanden. Gemäss dem MNJ wurden die Zugeständnisse aus dem Friedensabkommen von 1995 von der Regierung allerdings nur punktuell bis gar nicht in Tat umgesetzt.

* Bewegung der Nigerier für die Gerechtigkeit